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Bestrebungen für mehr Integrität im osteuropäischen Ökosektor

Am 18.10.2022 fand die 3. Sitzung der Projektsteuerungsgruppe (PSG) des „Deutsch-Thailändischen Kooperationsprojektes zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung für Clusterfarmen in Thailand“ statt. Vertretende des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und des thailändischen Ministeriums für Landwirtschaft und Kooperativen (MOAC) tauschten sich über die bisher erzielten Ergebnisse aus und verständigten sich über die weiteren Projektaktivitäten.

Teilnehmer der Online Session im Rahmen der digitalen BIOFACH-Messe 2021. Quelle:AFC

Nicht nur osteuropäische Länder sehen sich mit Betrugsfällen im Ökosektor konfrontiert, auch westliche Länder sind immer wieder von Skandalen betroffen. Globale Märkte verlangen eine intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten und die gemeinsame Umsetzung von gezielten Strategien, damit mehr Integrität für eine verbesserte Transparenz entlang der gesamten Lieferkette gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang führte die Europäische Union (EU) in der Vergangenheit zusätzliche Kontrollmaßnahmen für ökologisch produzierte Produkte aus Länder der Region (u.a. Ukraine und Kasachstan) ein, die zu einer verbesserten Risikobewertung beitragen sollen.

Auf Einladung des Projekts Deutsch-Ukrainische Kooperation Ökolandbau (COA) moderierten Elisabeth Rüegg (Teamleiterin des Projekts) und Stefanie Maak (AFC Consulting) zusammen mit Konrad Hauptfleisch (Starfish Organic) eine produktive Diskussion zu diesem Thema. Sie wurden von einem Panel von 5 Expertinnen und Experten aus Mittel- und Osteuropa, Asien und den USA unterstützt. Die Sitzung war so angelegt, dass nicht nur die Fachkräfte zu Wort kamen, sondern sich auch ein Publikum von über 70 Teilnehmenden durch eine Reihe von Slido-Umfragen aktiv beteiligen konnte.

Die beiden VertreterInnen von Öko-Kontrollstellen, Samanta Rosi Belliere von ICEA Italien und Sergiy Galashevskiy von Organic Standard Ukraine, vertraten die Ansicht, dass die Frage zum Thema „Hotspot“ nicht mit einem einfachen "ja" oder "nein" zu beantworten sei und stellten damit die Vermutung des Publikums, dass Osteuropa als Hotspot anzusehen ist, in Frage. Laut Frau Rosi bestehen diese Risiken nicht nur außerhalb Europas, sondern vor allem auch innerhalb. Entscheidend sei sich auf Produktlieferketten zu konzentrieren, die ein hohes Risiko darstellen, anstatt Länder oder Regionen als "riskant" zu bezeichnen. Herr Galashevskiy wies darauf hin, dass TRACES, das Online Trade Control and Expert System, für jeden Öko-Import in die Europäische Union erforderlich ist, was positiv zur Transparenz der Lieferketten beigetragen hat. Dies führte auch zu einer deutlichen Reduzierung von Vorfällen im osteuropäischen Raum. Er betonte außerdem die ordnungsgemäße Risikobewertung entlang der Wertschöpfungskette und die Umsetzung von Präventivmaßnahmen - diese werden mit der Anwendung der neuen Verordnung (EU) 2018/848 ohnehin verpflichtend sein. Die Öko-Kontrollstellen spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Sicherstellung solcher effektiver Verfahren auf Ebene der zertifizierten Betrieben geht.

Miles McEvoy, früherer Direktor des US-amerikanischen National Organic Program (NOP), zeigte sich ebenfalls positiv und stellte fest: „Als Berater sehe in den letzten Jahren stark verbesserte Risikobewertungen in den Lieferketten aus Osteuropa, eine bessere Schulung von ExpertInnen und InteressensvertreterInnen, sowie eine striktere Umsetzung von Kontrollen. Ertragsschätzungen und Massenbilanzberechnungen auf Betriebsebene zu Beginn des Zertifizierungsprozesses sind entscheidende Faktoren. Die potenziellen Mengen, die produziert, verarbeitet und gehandelt werden, müssen genau abgeschätzt und quantifiziert werden. Insgesamt spielen Verbände bei der Prävention eine wichtige Rolle“. Weiter führte er aus, dass Betrug nicht bestimmte Regionen anbelangt, sondern eher spezifische Lieferketten betrifft. "Komplexe (lange) Lieferketten", gefolgt von "LandwirtInnen" und "HändlerInnen" wurde auch vom Publikum als die größten Risiken eingeschätzt.

Jasurbek Rustamov, Langzeitexperte des Projekts Deutsch-Kasachischer Agrarpolitischer Dialog (APD), präsentierte eine Sichtweise aus Kasachstan - einem Land, das ebenfalls von ähnlichen Vorwürfen betroffen ist. Als Hauptrisiko bei kasachischen Öko-Lieferketten betrachtet er den Einsatz von Pestiziden aufgrund von fehlendem Wissen und mangelnder Ausbildung. Dies ist vor allem ein Problem auf teilumgestellten Betrieben mit einem konventionellen Betriebsteil. Dort gibt es ein zusätzliches Risiko der Vermischung von unterschiedlichen Qualitäten, beispielsweise während der Lagerung. Umso wichtiger sind ein effizientes Risikomanagement und die Überwachung vorbeugender Maßnahmen. Das Publikum wünschte sich an dieser Stelle als wichtigstes Werkzeug im Bestreben nach verbesserter Integrität mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette. Herr Rustamov erklärte weiter, dass sich die kasachische Regierung der Betrugsrisiken sehr wohl bewusst sei und aktiv daran arbeite, die Situation zu verbessern. Das zuständige Ministerium sucht den Austausch und die Diskussion mit der EU und plant ein technisches Komitee unter Beteiligung der wichtigsten Stakeholdergruppen zu diesem Thema einzusetzen. Zum Abschluss betonte Herr Rustamov die Bedeutung von Geberprojekten, wie sie derzeit von AFC und IAK im Rahmen des Bilateralen Kooperationsprogramms (BKP) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durchgeführt werden. Weiter führte er aus: „Solche Interventionen tragen dazu bei, lokale Expertise durch Training und Wissenstransfer aufzubauen. Die bilateralen Projekte würden außerdem eine wichtige Vermittlerrolle zwischen der EU und den zuständigen Behörden in den Zielländern einnehmen“.

Im letzten Teil der Podiumsdiskussion erläuterte Richard Moody, Experte für Agrarpolitik im Projekt Agritrade Ukraine, die Auswirkungen der EU-Gesetzgebung auf das ökologische Handelsumfeld: „Die zusätzlichen EU-Kontrollmaßnahmen für Länder dieser Region (u.a. der Ukraine und Kasachstan) sind als angemessener Beitrag zur einer verbesserten Risikobewertung anzusehen. Sie seien weder als Bestrafung noch als Handelsbeschränkung gedacht“. Herr Moody führte weiter aus, dass solche Entscheidungen auf Risikobewertungen zu einem bestimmten Zeitpunkt beruhen. Obwohl kein formaler Prozess zur Aufhebung dieser zusätzlichen Kontrollmaßnahmen bekannt sei, sollten die zuständigen Behörden und Öko-Kontrollstellen der betroffenen Länder bestrebt sein, Nachweise über eine verbesserte Konformität und die Umsetzung des nationalen Kontrollsystems in Übereinstimmung mit den EU-Anforderungen zu erbringen und aktiv zu kommunizieren. Solche positiven Maßnahmen könnten dann am Anfang eines Prozesses zur Aufhebung des zusätzlichen Kontrollregimes in naher Zukunft stehen. Weiter vertrat der Experte die Ansicht, dass eine mit der EU-Verordnung weitgehend harmonisierte, nationale Öko-Gesetzgebung das Vertrauen in die ökologische Integrität der im Land erzeugten Produkte durchaus stärken kann, auch wenn sich die neue EU-Verordnung 2018/848 von einem flexibleren Äquivalenzansatz weg, hin zu einer konformen Einhaltung der Vorschriften bewegt. Dieser Meinung schlossen sich die Zuhörenden mehrheitlich an, die zu 74% Öko-Standards, Vorschriften und Zertifizierung als aktiven Verbraucherschutz beurteilten und die Rolle der Gesetzgebung in der Sicherstellung der "strikten Einhaltung" von Produktionsvorschriften sahen.

Zum Abschluss der Veranstaltung fasste die Teamleiterin des COA Projekts die wichtigsten Ergebnisse der Podiumsdiskussion zusammen.

Als Fazit bleibt festzustellen, dass die EU heute nach den USA der zweitgrößte Markt für Öko-Produkte ist. Zusammen machen sie 80 % des Weltmarktes aus, und ihre Handelsanforderungen werden auch weiterhin die nationale Gesetzgebung in einzelnen Ländern und deren Kontrollsysteme, und damit die Entwicklung des globalen Ökosektors insgesamt, beeinflussen.